Kluge Vögel
Forschung und Versuche zur Intelligenz bei Vögeln
Länge: je 43 Min.
Thema: Bewahrung der biologischen Vielfalt
Volker Arzt und Immanuel Birmelin sind zu den Hochburgen der Vogelintelligenz gereist. Mit Bewunderung, Respekt und Witz berichten die Autoren über gefiederte Genies. Sie waren in Regenwäldern und Wüsten, in Universitätsinstituten und sprachen mit Vogelliebhabern. Jetzt müssen Biologen ihr Vogelbild radikal ändern.
1. Teil: Die Werkzeugmacher
Vögel sind - grob betrachtet - Abkömmlinge der Dinosaurier. Als wollten sie ihrem Stammbaum Ehre machen, beherrschen sie nicht nur den Luftraum. Pinguine machen im Schwimmen und Tauchen den Fischen und Säugetieren Konkurrenz. Die Straußenvögel dagegen haben das Land als Lebensraum erobert und sind zu "Rennern der Steppe" geworden. Doch damit nicht genug: Immer mehr stellt sich heraus, dass die Vögel nicht nur Anpassungskünstler sind sondern auch über ein hohes Maß an Intelligenz verfügen. Manche Forscher rechnen sie sogar zu den klügsten Tieren auf diesem Planeten.
Raben- und Papageienvögel verstehen Sprachen
Das Gehirn vieler Vogelarten ist nicht größer als eine Nuss, und dennoch sind ihre geistigen Fähigkeiten mit denen von Schimpansen oder Walen vergleichbar - zum großen Erstaunen der Biologen. Vor allem Raben- und Papageienvögel verblüffen durch ihr Sprachverständnis, ihren überlegten Einsatz von Technik oder ihre raffinierten Tricks im Umgang mit Artgenossen.
Doch auch die sogenannte technische Intelligenz, die zum Herstellen oder zum Verstehen von Werkzeugen gebraucht wird, ist bei manchen Vögeln gut ausgeprägt. Schier unglaublich sind Beobachtungen aus den Regenwäldern Neukaledoniens. Im fernen Neuseeland praktizieren Menschen und Keas eine Art respektvoller Koexistenz. Die Bergpapageien sind berüchtigt für ihre Neugier und ihren "Forscherdrang": Sie untersuchen, was die Welt zusammenhält - und wie man sie am besten auseinander nimmt. Sie prüfen die Standfestigkeit von Bierflaschen, demontieren Dachträger, zerlegen Skistiefel. Sind sie nur geschickt und geduldig, oder besitzen Keas tatsächlich ein Verständnis für Technik und Alltagsphysik?
Wissenschaftler an der Universität Wien erhielten eine überraschende Antwort, als sie ihre handaufgezogenen Keas mit Seilen, Hebeln und Gewichten hantieren ließen. Die Papageienvögel lieferten überzeugende Beweise für die Beherrschung technischer und physikalischer Grundregeln. Unter den einheimischen Vögeln gelten Raben als besonders intelligent - was nicht unbedingt ihre Reputation erhöht. Die Rabenkrähe Konrad in Freiburg im Breisgau ist als Bürgerschreck verschrien: Sie nestelt die Rucksäcke der Studenten auf und durchsucht sie nach Müsliriegel; sie entwendet Parkmünzen und beseitigt Strafzettel. Doch Konrads Geschicklichkeit wird bei weitem übertroffen von seinen Verwandten am anderen Ende der Welt.
2. Teil: Die Kopfarbeiter
Intelligenz ist das Vermögen, "Einsicht" und "Erkenntnis“ zu erlangen. Lange Zeit hielt sich der Mensch für die einzige Schöpfung, die Zusammenhänge verstehen kann. Doch nach und nach musste der Homo sapiens erkennen, dass er bei weitem nicht die einzige mit Verständnis gesegnete Spezies ist. Die Wissenschaft stand zuerst den Menschenaffen Intelligenz zu, dann rücken Hunde, Delfine und Wale in den Fokus der Forschung, und schließlich bewies man sogar, dass Kraken die Fähigkeit zur Erkenntnis besitzen. Auch Vögel bringen es auf außerordentliche mentale Lernleistungen.
Soziale Intelligenz bei Vögeln?
Manche Vogelarten müssen sogar einen Vergleichstest mit Schimpansen oder Kindergartenkindern nicht scheuen. Die technische Intelligenz unter den Raben- und Papageienvögeln ist verblüffend. Sie öffnen schwere Mülleimerdeckel oder stellen mehrteilige Stocherwerkzeuge her. Doch nichts ist so kompliziert wie der Artgenosse. Können Vögel begreifen, was der andere tut? Können sie ihn nachahmen? Oder gar manipulieren und täuschen? Auch die soziale Intelligenz der Vögel übertrifft alle Erwartungen, und die Vogelforscher sind dabei, ihre Schützlinge mit neuen Augen zu sehen.
Ein Beispiel sind Graudrosslinge in der Negevwüste. Gemeinsam vertreiben sie eine giftige Tigerschlange - und praktizieren dabei eine raffinierte Rollenverteilung: Die einen provozieren und lenken die Schlange ab, während andere sie von hinten mit Schnabelhieben attackieren. Eine konzertierte Aktion, bei der die Schlange den Kürzeren zieht. Ein anderes Beispiel sind Pinguine bei der Jagd. Gemeinsam treiben sie einen Sardinenschwarm zusammen, damit er nicht entkommt. Solche Gemeinschaftsaktionen setzen voraus, dass man die eigene Rolle und die des andern einigermaßen durchschaut. Kooperation erfordert Kopfarbeit und ist auch bei uns Menschen alles andere als selbstverständlich: Der Versuch, im Kindergarten gemeinsam ein Tischtuch auszubreiten, endet im Chaos.
Sogar auf dem Gebiet des Denkens, einer Domäne des Homo sapiens, schneiden Dreijährige schlechter ab als die Krähe Betty. Sie bleibt Sieger bei einem Stochertest, der vorausschauende Planung und überlegte Entscheidung verlangt. Solche geistigen Leistungen scheinen in krassem Gegensatz zum Gehirn der Vögel zu stehen. Es besitzt nicht einmal eine Großhirnrinde, die bei uns und anderen Säugern als Sitz der Intelligenz angesehen wird. So galten Vögel lange Zeit als überwiegend instinktgesteuert und ziemlich unintelligent. Erst jetzt haben Biologen den Widerspruch um das Vogelgehirn lösen können und trauen ihm noch weitere Geistesblitze zu.
Die Elstern sind ein gutes Beispiel. Die Rabenvögel, die gerne als Diebe und Räuber eingestuft werden, haben jüngst eine Art kognitiver Schallmauer durchbrochen. Tiere sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht in der Lage, sich selbst im Spiegel zu erkennen. Die Vorstellung von einem eigenen Ich ist ihnen fremd. Doch die Elster Gerti an der Universität Bochum hat kürzlich den Spiegeltest bestanden - vor laufender Kamera. Sie reiht sich damit ein in die Riege der klügsten Säugetiere wie Delfine oder Menschenaffen. Vögel scheinen die neuen Überflieger in Sachen Intelligenz zu sein.
Weitere Informationen zu diesem Thema:
http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/ard/sendung/106691/index.html
A: Volker Arzt, Heinz von Matthey
K: Brian McClatchy, Sigurd Tesche
P: Matthey Film Waiblingen und WDR / ARTE 2007